Barden und ihre Musik

Barden und ihre Musik
Barden und ihre Musik
 
»Und wenn die Männer zum Kampf gereizt werden, brechen sie in Gesänge zum Preise der großen Taten ihrer Vorfahren und zum Ruhm ihrer eigenen hervorragenden Fähigkeiten aus, wobei sie ihre Gegner herabwürdigen und darum bemüht sind, sie des Geistes der Tapferkeit vor der Schlacht zu berauben... Die abgeschlagenen Köpfe tragen sie als Beute davon, singen dazu ein Dankgebet an die Götter und stimmen Siegeslieder an... Ihre Trompeten sind von seltsamer Gestalt und barbarisch (im Ton), denn wenn sie geblasen werden, geben sie einen rauhen Klang von sich, der dem des Kriegsgetümmels gleicht... Die Gallier sind erschreckend im Aussehen, und ihre Stimmen sind tief und ganz rau... Unter ihnen gibt es auch Lyriker, die sie Barden nennen. Diese Männer singen zur Begleitung von Instrumenten, die Leiern gleichen, und ihre Gesänge dienen dem Lobpreis oder der Schmähung... Nicht nur für den zu schließenden Frieden, sondern auch bei Kriegsvorbereitungen hören sie vor allen anderen auf ihre »Philosophen« (Druiden) und ihre singenden Dichter, und dies wird nicht nur von ihren Freunden, sondern auch von ihren Feinden bezeugt«.Tief beeindruckt scheint Diodor im Verlaufe seiner griechischen Weltgeschichte (1. Jahrhundert v. Chr.) von den Kelten, doch ist er, der vor allem Unteritalien und Sizilien bereiste, den ungebärdigen Galliern, Kelten, Galatern und wie immer sie in der antiken Geschichtsschreibung genannt wurden, nie begegnet.
 
Von der Musik der Kelten ergibt sich kein geschlossenes Bild. Das mag damit zusammenhängen, dass es nicht zur Staatenbildung kam. Überall dort, wo Kelten siedelten, gab es Druiden, jene machtvollen Priester, denen die Bewahrung und Weitergabe des Glaubens oblag, und auch Barden. Von antiken Autoren werden sie als eigener privilegierter Stand neben den Priestern und Sehern geschildert, deren Aufgabe darin bestand, die Geschichte und Geschichten ihres Volkes in lebendigem Vortrag weiterzugeben. Ihre hervorgehobene Stellung verdankten sie dem Umstand, dass bei den Kelten eine entwickelte Schriftkultur fehlte.
 
Im östlichen Hallstattkreis der Kelten hatte sich nämlich ein reges, von den frühen Griechen inspiriertes Musikleben entfaltet, will man die Darstellungen der Situlenkunst als ihr getreues Abbild begreifen. Musikanten mit Leiern verschiedener Typen, mit großen Panflöten und - seltener - mit Hörnern spielten zum festlichen Gastmahl, bei Feiern, bei Opferhandlungen, bei Umzügen. Doch reichten diese Darstellungen nicht bis in die Zeit der La-Tène-Kelten hinein, die Instrumente waren ebenso wenig die ihren wie die reichen, fantasievollen, klingelnden und rasselnden Kettengehänge mit Bommeln aus Metall, zuweilen mit Schellen als repäsentativer Schmuck gestaltet, die mit Ringen und Rasselblechen besetzten großen Plattenfibeln der westlichen Hallstattleute und deren metallene Gefäß- oder Reihenrasseln wie etwa das Sistrum aus dem Rhein-Main-Gebiet oder die Gleitrassel aus der östlichen Schweiz. Auch tönerne Rasseln in Form von Tieren, meist von Vögeln, belegt für alle Vorgeschichtsepochen mit Ausnahme des Paläolithikums, fanden sich in Gräbern der Kelten. Ferner gab es Knochenpfeifen und -flöten, tönerne Gefäßflöten und Panflöten. - Auch für die von Diodor erwähnte Leier halten die Kulturen der La-Tène-Zeit verschwindend wenig Belegmaterial bereit. Eine einzige Statuette, eine in Stein gehauene Figurine, die eine kleine Leier, im Typ der griechischen Wiegenkithara ähnlich, an den Oberkörper gepresst hält, ist erhalten. Das Objekt wurde im 1. Jahrhundert v. Chr. geschaffen und in Paule in der Bretagne entdeckt. Über Funktion der Leier und ihre Spielweise ist dieser Darstellung keinerlei Hinweis zu entnehmen. Die auf keltischen Münzen aus Deutschland und Britannien zuweilen abgebildeten Leiern sind stark stilisiert und bezeugen lediglich das Vorkommen dieser mit kleinem, länglichem Korpus ausgestatteten Instrumente. Venantius Fortunatusnennt im 6. Jahrhundert n. Chr. die »Rotta« als Instrument der Briten.
 
Die für Kelten charakteristischen, geradezu symbolischen Instrumente waren metallene Hörner. Nach einer späten griechischen Quelle nannte man sie Carnyx, und gemeint waren offenbar die lang aufragenden dünnrohrigen Instrumente mit horizontal abgeknicktem Schallstück in Form eines Tier- beziehungsweise »Drachenkopfes« mit aufgerissenem Maul. Vereinzelt aufgefundene andere Hörner, die den Kelten zugeordnet werden, waren abweichend geformt. Das tierköpfige Instrument wird vom 3. Jahrhundert v. Chr. an abgebildet. Besonders häufig, als die Römer die südlich der Alpen siedelnden Gallierstämme zu unterwerfen trachteten, erkennt man es auf Waffentrophäen, auf gallischen und britischen Münzen in der Hand eines Wagenlenkers und Anführers. Immer wird dieses »barbarisch« klingende Horn von Kriegern geblasen, so zum Beispiel auf der Trajanssäule in Rom (2. Jahrhundert n. Chr.) und noch in augusteischer Zeit. Relativ häufig sind Carnyxteile im Bereich der Inselkelten, besonders in Irland, aufgefunden worden. Nach einer erhaltenen Tierkopfstürze rekonstruierte man in Schottland einen Carnyx, auf dem man die - oben beschriebenen - urtümlich dumpfen Klänge der Teiltonreihe hervorbringen kann. Der Unterkiefer des Kopfes ist beweglich, sodass beim Marschieren ein blechernes, lautstarkes Geräusch entsteht.
 
Das Ende der gallischen Unabhängigkeit im 1. Jahrhundert v. Chr. scheint die traditionelle Musizierpraxis erheblich beeinflusst zu haben. In der frühen liturgischen Musik Irlands, Schottlands, Wales' und des nordwestlichen England, wo gälische Dialekte gesprochen werden, will man keltische Prägung erkennen, die allerdings sehr schwer festzumachen ist. Irische Mönche setzten sich intensiv in der christlichen Mission ein, die sie vom frühen 6. Jahrhundert an auch auf das Festland brachten, und dabei benutzten sie als Signalinstrumente Handglocken in verschiedenen Formen, wie sie sich zahlreich erhalten haben - erste Belege übrigens für »keltische« Glocken, vorchristliche Kelten haben diese Instrumente wahrscheinlich nicht gefertigt. Ob die Musikinstrumente, Trompeten, Flöten oder Rohrblattinstrumente und vor allem Harfen, wie sie auf irischen und schottischen Steinkreuzen vom 8. Jahrhundert an erscheinen, als »keltisch« zu bezeichnen sind, ist umstritten.
 
Prof. Dr. Ellen Hickmann
 
 
Birkhan, Helmut: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien 1997.
 Duval, Paul-Marie: Die Kelten. Aus dem Französischen. München 1978.
 Lessing, Erich und Kruta, Venceslas: Die Kelten. Entwicklung und Geschichte einer europäischen Kultur in Bildern. Freiburg im Breisgau 1979.
 Maier, Bernhard: Lexikon der keltischen Religion und Kultur. Stuttgart 1994.

Universal-Lexikon. 2012.

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